Ob das Kind auf eine Privatschule gegeben werden soll, wird dieser Tage des Öfteren in elterlichen Haushalten erwogen. Die Konsequenzen dessen sind, dass es immer mehr Privatschulen in Deutschland gibt. Staatliche Schulen in dünn besiedelten Gebieten müssen sogar schließen – nicht zuletzt auch wegen der demographischen Entwicklung in Deutschland. Was sind die Motive der Eltern, die ihr Kind auf eine Privatschule geben wollen?

Wenn das Kind auf eine Privatschule soll

So wie es unterschiedlichste Elternpersönlichkeiten gibt, existieren verschiedene Gründe, warum das Kind auf eine Privatschule soll. Demzufolge ist die nachstehende Aufzählung nicht als erschöpfend anzusehen.

Leistungsqualität des deutschen Schulsystems

Qualitative Ansprüche an das deutsche Schulsystem sind in mehrerlei Richtungen zu bewerten. Zum einen geht es natürlich um die Bildung als solches. Vor allem gut situierte, einkommensstarke Eltern bevorzugen eine Schule für ihre Sprösslinge, die den aktuellen Standards einer sich rasant entwickelnden, hochtechnologisierten Welt entspricht. Das Stereotyp der erfolgreichen Akademikereltern, welche komplexen Tätigkeiten nachgehen, soll hierbei benannt werden. Schulen, die für solche Eltern in Frage kommen, sind zumeist international ausgerichtet und stark leistungsorientiert. Sie zeichnen sich durch eine sehr gute Ausstattung sowie hohen Leistungsansprüchen an die Schüler aus.

Alternative: Reformpädagogik

Wollspielzeugpferde, braun, schwarz, auf Holzboden

Soll das Kind auf eine Privatschule, stellt sich die Frage nach der pädagogischen Ausrichtung dieser. © storebukkebruse under cc

Eine andere Gruppe von (häufig) Akademikereltern wählt einen reformpädagogisch-künstlerischen Ansatz der Ausbildung für ihre Nachkommen. Individualität und Selbstentfaltung sind vorrangige Entwicklungsansprüche der Eltern an die Privatschule. Ein Umgang der Lehrer mit den Schülern auf Augenhöhe wird nicht selten in solchen Schulen proklamiert.

Kinder sollen es besser haben: Solide Ausbildung

Von der Bundeszentrale für Politische Bildung wird noch eine dritte Gruppe der Eltern, die ihre Kinder auf eine Privatschule geben, benannt. Dieser elterliche Stereotyp hat überwiegend einen mittleren Bildungsabschluss inne. Außerdem haben diese Eltern sich oft selbst fachlich und karrieremäßig hochgekämpft. Sie sind häufig in mittleren Einkommensklassen zu finden und wünschen sich nun für den Nachwuchs eine Schule, welche den Kindern solides Wissen und ein gutes Sozialverhalten vermittelt. Ziel dieser Eltern ist, dass die Kinder es mal leichter haben sollen, als sie selbst es einst hatten. Diese Elterngruppe ist zudem bereit, einen überdurchschnittlich großen Anteil ihres Einkommens an die Privatschule abzugeben.

Reform des Schulsystems: Nur wie?

Um auf diesen Run auf die Privatschulen in Deutschland zu reagieren, hat der Bund inzwischen die Ansprüche an Schulneugründungen strenger formuliert:

»Auch die Frage der Qualitätssicherung ist nicht geklärt. Können die neu gegründeten, meistens sehr kleinen Privatschulen die staatlicherseits geforderte Unterrichtsqualität einlösen? Ein jahrgangs- und häufig auch fächerübergreifender Unterricht, auf den die kleinen Schulen wegen ihrer geringen Schülerzahlen in der Regel zurückgreifen müssen, setzt fachdidaktisch und methodisch sehr gut qualifizierte Lehrerinnen und Lehrer voraus. Sie müssen garantieren können, dass der Unterricht in fast familiärer Atmosphäre wirklich die gewünschte Lernkultur mit sich bringt, nicht aber Nachteile für die Kinder. In Einzelfällen wurde auch schon aufgrund fehlender Professionalität der Lehrkräfte die Betriebserlaubnis einer kleinen privaten Grundschule zurückgenommen.«

Und weiter liest man:

»Die ›Besten‹ werden durch private Schulen ›abgeschöpft‹. Betrachtet man jedoch die Vielfalt der Privatschulen, die Motive der Eltern, die häufig auch an der Förderung ihrer nicht so leistungsstarken Kinder orientiert sind, dürfte diese Gefahr bei einem gut ausgebauten staatlichen Schulsystem nicht allzu groß sein. Dennoch wird der Staat die verschiedenen sich anbahnenden Dilemmata bei der Genehmigung von Privatschulen in Zukunft berücksichtigen müssen.«

Reform als Zwang oder Wettbewerb?

Flur, Holzboden, links Fenster

Wenn der Weg in öffentliche Schulen der vorrangige bleiben soll, dann müsste dieser aber auch der Königsweg für Bildung sein. © Nao Iizuka under cc

Diese vom Bund formulierten, zunächst sehr nachvollziehbaren Anmerkungen verlieren an Gewichtung, wenn man sich die Qualität der öffentlichen Schulen ansieht. Unterrichtsausfall, marode sanitäre Anlagen, mangelnde Pausenhofaufsicht, Mobbing unter Schülern sind nur einige Bedenken, die Eltern mit sich herumtragen und die hierzulande nur allzu oft der Realität an deutschen Schulen entsprechen. Genau deshalb ist dieser Artikel auch als Reaktion eines durchschnittlich besorgten Elternteils auf jene zitierte Stellungnahme der Bundeszentrale für Politische Bildung zu verstehen.

Statt mit Zwang die Ansprüche an Privatschulen in Deutschland zu erhöhen, sollte die derzeitige Schullandschaft vielmehr als Herausforderung – als Wettbewerb – begriffen werden. Sagen wir es, wie es ist: Ohne die Möglichkeit, das Kind auf eine Privatschule zu geben, hätten sicherlich so mancherorts die Eltern schon gestreikt, beim Blick auf die öffentlichen Schulen, in welche sie ihre Sprösslinge zu geben hätten. Es wird Zeit für das deutsche Schulsystem, sich an die Entwicklungen am Bildungs- und Berufsmarkt anzupassen, nicht mit kleinen, zarten Veränderungen, die mal hier mal da punktuell vorgenommen werden, sondern mit Riesenschritten. Eine komplette Umstellung wie zum Beispiel nach dem Schulmodell in Schweden, in welchem eigenständige Projektarbeit, mehr Flexibilität bei der Gestaltung des Bildungsplans und ein tendenziell gleichwertiger Umgang zwischen Schülern und Lehrern im Vordergrund stehen. Bildung – das höchste Gut für unsere Kinder – muss als Auftrag verstanden werden, als Anpassung an einen sich rasant entwickelnden Zeitgeist.