Wespen-Moderholzschwebfliege

Um sie würden viele einen Bogen machen, doch sie imitiert nur das Aussehen einer Wespe. Eine Wespen-Moderholzschwebfliege. © Frank Vassen under cc

Analoges Denken wird von den einen geliebt, von anderen gehasst, von allen verwendet und den meisten ist nicht bekannt, was analoges Denken eigentlich ist. Analoges Denken ist die Fähigkeit Beziehungen zwischen Bereichen herzustellen, die erst mal nicht unbedingt etwas miteinander zu tun haben, die sich aber durch eine gewisse Strukturähnlichkeit auszeichnen. Jedenfalls sieht der Betrachter eine innere Verwandtschaft, in einigen Fällen eine tieferliegende Kausalität. Damit ist analoges Denken zwar ’nur‘ eine Art des Hinsehens, aber das gilt für die Logik auch.

Strukturähnlichkeiten erkennen wir zum Beispiel zwischen Tieren, die fliegen können. Ob Vögel, Säugetiere oder Insekten, die andere biologische Klassen und sogar noch viel weiter entfernte Stämme darstellen, sie alle haben Flügel. Klingt banal, aber auf ganz anderen evolutionären Wegen sind ähnliche Muster herausgekommen. Biologisch meilenweit auseinander, haben diese Tiere doch eine Strukturähnlichkeit, die sie verbindet, jedenfalls in unserem Bewusstsein.

Und so geht unser Bewusstsein oft vor, nämlich assoziativ. Zwischen bestimmten Merkmalen werden Ähnlichkeiten erkannt und diese werden dann verknüpft. Manchmal gar nicht sonderlich bewusst, sondern automatisch. Womöglich mit evolutionärer Nützlichkeit zu erklären, schnelles Erkenntnisvermögen war ein Vorteil, sowohl wenn man Jäger, als auch Gejagter ist. Lieber ein paar mal zu oft die Beine in die Hand nehmen, wenn einem etwas verdächtig vorkommt, als ein mal zu wenig, denn das kann schnell das Ende bedeuten. Deshalb schauen wir bei der typischen Mustererkennung nicht so genau hin, es reicht die grobe Klassifizierung, als gefährlich oder harmlos, leichte Beute oder äußerst wehrhaft.

Nachts ist man bei Geräuschen vorsichtiger, eine Gruppe junger Männer wirkt anders, als eine Gruppe Rentner, auch da wird man erst mal vorsichtig sein. Doch diese groben Raster sind auch genau das, was analoges Denken in einen gewissen Misskredit bringt, das schnelle, assoziative Denken hat eine beträchtliche Nähe zu Vorurteilen.

Vorurteile

Vorurteile sind Denkmuster bei denen in aller Regel von Teilen, von bestimmten Erfahrungen mit Einzelexamplaren oder Merkmalsträgern auf Eigenheiten der ganzen Gruppe geschlossen wird. Doch ganz so einfach ist es nie, schon in der Biologie nicht. Tricks und Täuschungen, freilich und erschwerend, unbewusste kennt auch das Tierreich, in der Mimikry. Kurz gesagt, harmlose Tiere oder Pflanzen imitieren das Aussahen gefährlicher, giftiger oder wehrhafter Tiere und sind so besser vor Feinden geschützt. Andersherum geben sich Jäger manchmal harmloser als die sind. Andere Tiere, die oberflächliche Muster erkennen, nehmen hier schnell Reißaus. Es sei denn, die Not ist groß, dann traut man sich auch an wehrhafte Feinde oder wagt einen genaueren Blick.

Den erlaubt auch das analoge Denken, das keinesfalls primitiv sein muss, sondern beliebig nachjustiert werden kann. Denn Mimikry oder ein ’so tun, als ob‘ ist auch ein Wesenszug des Menschen, der sich gerne mal mit Attributen und Statussymbolen schmückt, die Wesensmerkmale entweder unterstreichen oder manchmal auch nur vortäuschen sollen. Ob Korsett, Schminke oder gleich die Schönheitsoperation für sie, der Sportwagen, die Lederjacke oder ein anderes verwegenes Outfit bei ihm, das alles soll etwas zeigen und wird in aller Regel auch verstanden.

Und etwas nachjustiert, werden ein paar junge Männer, die mit Polohemd und Seitenscheitel dastehen, als weniger bedrohlich empfunden, als wenn sie tätowiert sind und schwere Lederjacken tragen. Doch nicht nur das Aussehen, auch die Art den Verhaltens sagt etwas aus. Wie jemand geht, schaut, spricht und sich bewegt. Es ist eher das Gesamtbild, das entscheidet, auch darüber, als wie stimmig die Attribute, mit denen sich jemand schmückt, eingeordnet werden. Kompensiert hier jemand und drückt aus, was er gerne wäre, oder was er ist? Man weiß es auf den ersten Blick nicht so ganz genau und das macht den Reiz aus. Viele wollen oder können keinen zweiten Blick wagen, aus verschiedenen Gründen.

Doch man weiß, wie die Dinge wirken, mit denen man sich umgibt. Der knallrote oder grell lackierte Sportwagen, tiefer, breiter und lauter zeigt, dass hier jemand auf der Überholspur lebt, oder wenigstens für Momente das Gefühl haben oder suggerieren will, es zu tun. Ganz anders die jungen Hipster, die frei, gut vernetzt und überall zu Hause sein wollen, Smartphone oder Laptop stets dabei. Die stilvolle Dame von Welt möchte durch dezente Eleganz in Kleidung und Auftreten anders wirken, als Frauen, die ihre sexuelle Weiblichkeit maximal betonen. Das kommt auch an, wird verstanden, aber warum eigentlich?

Weil natürliche, kulturell überformte und eventuell archetypische Reize und Symbole ineinander greifen und ein subtiles Verständnis voraussetzen. Was gezeigt wird, ist jedoch nicht immer oder durchgehend das, was gewollt wird. Der Mensch als Kulturwesen, will sich in verschiedenen Rollen ausprobieren, als harter Mann, als sexy Vamp, als Intellektuelle, neuer Typ Mann, Businessfrau, Metrosexueller oder was auch immer es sei und in diesen Selbstfindungsphasen spielt das Echo der Umwelt eine Rolle. Seinen Stil findet man im Grunde dann, wenn man ihn nicht mehr sucht und eine oft verwirrende Mischung der Stile ist heute nicht selten.

Eine andere Ordnung und Sichtweise

In einem Buch, was vor 40 Jahren erschien, wird eine Einführung in analoges Denken dargestellt. Der Leser wird aufgefordert den Oberbegriff folgender Begriffe zu finden:

  • Hund, Star, Ameise, Krokodil, Bär, Elefant, Forelle.

Jedes Kind erkennt sofort, dass der Oberbegriff Tiere lautet. Der Oberbegriff zur anderen Kette ist jedoch weitaus kniffliger, sie lautet:

  • Blei, Steinbock, Zähne, Efeu, Klosterzelle, schwarz, Bergarbeiter.

Wer jetzt denkt: „Hä? Was um alles in der Welt haben diese Begriffe gemeinsam?“, dem geht es ähnlich, wie mir damals. Noch problematischer ist, dass die Auflösung einem zunächst auch nicht wirklich weiter hilft. Das Prinzip Saturn ist hier gemeint, aber damit hat man noch immer nicht die Gemeinsamkeiten, eben das Prinzipielle erfasst. Als Definition des Prinzips wird angeboten: Struktur, Widerstand, Hemmung, Zeit.

Damit kommt man ihm etwas näher, denn all die Begriffe ergeben etwas Reduziertes, Einsames und Abgeschiedenes. Hart, karg, zurückgezogen, dunkel, entbehrungsreich, all das bietet uns dieses Prinzip.

Schauen wir uns ein anderes Prinzip an, so stehen wir zunächst erneut vor einem Rätsel, denn wir finden folgende Begriffe:

  • Eisen, Brennnessel, Raubtiere, Nagetiere, Muskeln, arterielles Blut, Entzündungen, Verletzungen, Schmiede, Schlachtfeld, vulkanische Gegend, Soldat, rot.

Umschrieben oder definiert wird das Prinzip als Energie, Impuls.[1] Gemeint ist die frische und oft noch rohe, pure Energie des Anfangs. Beim Urknall, bei der Geburt, im Frühling, beim Beginn von etwas Neuem. Ungestümes, wildes Losstürmen. Beim Sport also der Sprint, nicht der Marathonlauf, Boxen, statt Bergwandern, Formel 1 statt Weitenrekord. Schnell, spontan, impulsiv, mit viel Kraft verbunden. Frisch, wild und gut durchblutet, mit arteriellem Blut. Eher ein heißes, rotwangiges und schwitzendes Gesicht, als ein altes, zerfurchtes und wettergegerbtes. Dies entspräche wieder dem vorherigen Prinzip, Saturn.

Irgendwann begreift man allmählich. Hier das reduzierte, alte, beschwerliche, langsame, aber damit auch strategische, klare Prinzip, ein Mensch, der eher wortkarg und sehnig daherkommt. Dort das wilde, junge, animalische, frische, impulsive Prinzip, kraftvoll und schnell, aber auch unüberlegt, Menschen der Tat, die sich tendenziell über Körperlichkeit und Aktion definieren, die auf der Überholspur des Lebens unterwegs sind.

Und auf einmal können wir die Symbolik des roten Sportwagens ein bisschen besser verstehen und benennen. Hier wird Vitalität, jugendliche Kraft symbolisiert, ‚Hoppla, jetzt komm ich‘ und zwar so, dass es jeder merkt. Oder die Symbolik der sportlichen Lederjacke, die das Animalische und Wilde betonen soll.

Wer bestimmt das denn eigentlich?

glückliche Geschäftsfrau

Als Businessfrau gilt es freundlich und seriös daher zu kommen. © Steve wilson under cc

Für viele, die sich mit dem Thema beschäftigen und drauf einlassen können, wird oft sehr schnell der innere Zusammenhang zwischen den Erscheinungen klar und hat man den Schlüssel erst einmal gefunden, geht man dieser anderen Sichtweise mit einer gewissen Lust nach. Aber stimmen diese Zusammenhänge denn auch und wer bestimmt das eigentlich? Bestimmen tut sie niemand, die meisten Begriffe haben eine innere Zusammengehörigkeit, die den Sprechern sinnvoll erscheint. Wir sind ständig dabei unsere Umwelt zu klassifizieren. Hund, Fliege und Meise eben als Tiere; Kaktus, Eiche und Gras als Pflanzen. Beide Gruppen würden wir als lebendig bezeichnen, Tiere zeichnen sich in der Regel durch eine größere Beweglichkeit aus, später dann (wenn man sich in der Biologie besser auskennt) durch einen anderen Stoffwechsel. Doch richtig eindeutig sind unsere Klassifizierungen nie. Sind Viren nun lebendig? Man weiß es nicht genau. Das Schnabeltier gab ebenfalls Rätsel auf. Was ist schön und was hässlich, was ich richtig und falsch, krank und gesund? Je näher man sich klassische Grenzen anschaut, umso mehr verschwimmen sie, umso unschärfer werden sie, dennoch werden wir kaum auf die Idee kommen, eine leere Getränkedose, die vom Wind über die Straße geweht wird als lebendig anzusehen, auch wenn wir sie aus der Ferne vielleicht nicht von einem Igel unterscheiden können.

Ein Schluss von der äußeren Erscheinung auf das Wesen oder die innere Beschaffenheit, ist seit dem Altertum und quer durch die Kulturen bekannt, unter anderem als Elementelehre, der wir unsere vier Temperamente verdanken, oder Signaturenlehre. Wie im Link dargestellt, gibt es bei ihr Erfolge und Misserfolge, erstaunlich genug, dass dieses an sich als antiquiert und unwissenschaftlich geltende Denken und Analogien überhaupt Erfolge zu verzeichnen hat. Denn das schnelle und assoziative Denken gilt nicht selten als eine Verwechslung zweier, allerdings häufig durcheinander gebrachter Anätze, denen wir uns nun widmen.

Korrelation und Kausalität

Korrelationen setzen zwei Größen in Beziehung, die in einem statistisch auffallenden Zusammenhang stehen, wie Feinstaub oder Zigarettenkonsum und Lungenerkrankungen, Alkohol und Lebererkrankungen und so weiter. Aus der Korrelation meint man einen kausalen, also ursächlichen Zusammenhang zwischen beiden Größen herstellen zu können, dass also viel Alkohol das Auftreten von Lebererkrankungen begünstigt, was auch ursächlich erwiesen ist.

So gibt es einen statistischen Zusammenhang, eine Korrelation, zwischen Einkommen und Schuhgröße, der kausale Zusammenhang, dass man mehr Geld bekommt, weil man größere Schuhe trägt, besteht dennoch nicht. Der kausale Zusammenhang ist vielmehr die noch immer ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen und weil Männer (auch nur statistisch) größere Füße haben als Frauen, besteht die Korrelation.

Analoges Denken setzt ganz ähnliche Größen in Beziehung, wenn man so will Erscheinungen, von denen man vermutet, dass aufgrund einer gewissen Ähnlichkeit ebenfalls ein Zusammenhang besteht. So zum Beispiel zwischen dem Körper und der Psyche. Sind Dicke gemütlich, Dünne nervös, Kräftige aufbrausend? Vielleicht manchmal, sicher nicht immer, aber niemand sagt, dass man beim analogen Denken nur zwei Größen in Beziehung setzen darf, im Gegenteil, je mehr Hinweise in eine bestimmte Richtung weisen, um so genauer wird auch das analoge Denken.

Wir sind noch immer Wesen, denen Abweichungen von der Norm, vom Erwarteten auffallen. Ein großer, kräftiger Mann mit einer hellen Stimme. Ein Mensch, der viele Gesten des Selbstbewusstseins audrückt, aber es nicht schafft, einem in die Augen zu schauen. Wir sind geübt, den Menschen und Situationen als Ganzheit wahrzunehmen, durchaus als Ganzheit von Erwartungen. Stellen wir uns einen Moment vor, dass an einer Ampel ein Sportwagen mit Breitreifen und lautem Motor, quietschend losfährt. Wenn wir den Wagen am Rand stehen sehen und sich die Tür öffnet, wer steigt wohl aus? Wenn es eine grau gekleidete Rentnerin ist, die ihren Rollator aus dem Kofferraum holt, wären wir überrascht. Ein Bruch unserer Erwartungen.

Erneut sei man also vor Vorurteilen gewarnt, doch die gehen in alle Richtungen. Galt der Zusammenhang zwischen körperlicher Erscheinung und psychischer Disposition längere Zeit als faschistoid, so kann man sich im Zeitalter der Rebiologisierung vor vermeintlichen oder tatsächlichen Zusammenhängen kaum retten und was eben noch gar nicht ging, ist heute ganz selbstverständlicher Teil des Wissens. Erst neuerdings treffen wir wieder eine neue Ungewissheit an.

Sprache, Zigarren und Assoziationswolken

Sprache ist psychosomatisch, heißt es. Und meint, dass wir die Beziehungen zwischen Begriffen, Bildern, Symbolen, Mimik und Gestik kennen, die tief in uns angelegt sind. Schon Freud nahm ganz selbstverständlich darauf Bezug, dass Träume oder Phantasien von länglichen Gegenständen wie Zigarren, Spritzen oder Bananen oft Symbole für einen Phallus sind. Und „Veronika, der Spargel wächst“ soll nicht nur auf die baldige Gemüseernte hinweisen, sondern auf das allgemeine Schießen der Säfte im Frühling.

Der Frühling wird in der Regel als schöne und harmlose Zeit des Erwachens der Natur angesehen, doch bei allem Knospen, Schießen und allen durch die Luft flirrenden Samen (Pollen), ist er auch eine Zeit von Neuem, Energie und Impuls. Jene Kette, die wir als aggressiv und impulsiv kennen lernten, jetzt mit einer sexuellen Färbung. Freilich zählt auch hier der Kontext. Wer als Gemüsehändler von Bananen träumt, meint vielleicht wirklich die Frucht, ansonsten ist Sexualität bei uns oft zensiert und drückt sich daher symbolisch aus.

Anders als logische Ketten der Begründung oder Kausalität funktioniert analoges Denken in Assoziationswolken. Über Begriffe, die eine Folge anderer Begriffe im Schlepptau haben. Die Assoziationen sind jedoch nicht nur auf Begriffe begrenzt, sondern greifen auf andere Bereiche wie Stimmung, Körperspannung usw. über, wie in Priming ausgeführt. Begriffe haben allgemeine Assoziationen, die von fast allen Menschen geteilt werden, daneben persönliche Assoziationsketten, die das individuelle Verhältnis eines Menschen zu diesem Begriff bestimmten. Hören wir einen bestimmten Begriff, ist die ganze Assoziationswolke da, einmal die Teile, die unsere persönliche Begriffsbestimmung ausmacht, zum anderen jene, die den Kern der Wolke darstellen, die wir mit den anderen teilen und die dafür sorgt, dass wir mit anderen erfolgreich kommunizieren können, indem wir ungefähr auf dasselbe beziehen, was für den Alltag ausreicht.

Ist analoges Denken nur eine psychologische Größe?

Runen

Runen sind in der Vorstellung der Alten nicht Schriftzeichen, sondern Tore zu anderen Welten und kosmischen Kräften. © Kalle Gustafsson under cc

Nein. In ihrem dicken Buch Die Analogie – Das Herz des Denkens, beschreiben Douglas Hofstadter und Emmanuel Sander das allumfassende Vorkommen der Analogie, für die beiden bilden sie sogar das Herz des Denkens. Im hinteren Teil des Buches beschreibt Hofstadter, der selbst Doktor der Physik ist, dass die Analogie bei allen bedeutenden Wendungen der Physik eine Rolle spielte, zwölf Meilensteine führt er auf. Weiter beschreibt er, dass er sich lange Zeit gescheut habe, Einstein mit in den Kreis einzubeziehen, weil er dachte, eventuell könne das Genie Einstein anders getickt haben als alle anderen. Doch dann fand er heraus, dass Einstein sogar Analogien in Hülle und Fülle benutzte, er hatte nur die besondere Fähigkeit, die wichtigen Systeme zu korrelieren, auf eine Art und Weise die entweder niemand zuvor bedachte, oder die nicht zu Ende gedacht wurden. Was Hofstadter als Geniestreich Einsteins darstellt, war „eine entscheidende Parallele zwischen einem schwarzen Körper und einem anderen System aufzuzeigen, welches ebenfalls ein Spektrum hatte, das durch seine Gesamttemperatur bestimmt war. Dabei handelt es sich um einen in einen Behälter eingeschlossenes ideales Gas.“[2] Auch anderen war dieser Zusammenhang schon aufgefallen, sie hielten ihn aber für eine rein mathematische Besonderheit, Einstein machte Ernst mit der Idee, dass es sich dabei auch um physikalische Zusammenhänge handelt, mit anderen Worten, er sah oder ahnte zumindest die Kausalität hinter der Korrelation, er hatte in einem besonderen Maße diesen anderen analogen Blick. Auch in den exakten Wissenschaften hat analoges Denken seinen Platz und ist weit verbreitet.

Andere Wege zur psychologischen Diagnostik

Nicht nur Freud und Einstein sahen und erkannten Analogien, die vor ihnen vermutlich nie jemand so klar sah und verfolgte, auch später gab es immer wieder Forscher, die analoge Ansätze nutzten. In Seltene Methoden der Psychologie stellten wir den Begründer der bioenergetischen Analyse, Alexander Lowen vor, dem und dessen Team es gelang, durch einen einfachen Bogenstand in kürzester Zeit zutreffend die psychischen Probleme von Patienten zu diagnostizieren. Auch die Therapie fand weitgehend auf der körperlichen Ebene statt.

Erfahrene Ärzte sehen manchmal auf einen Blick, mit was für einem Problem ein Patient kommt, in einigen Verfahren der Komplementärmedizin ist der Blick auf den ganzen Menschen unverzichtbar, weil man auch hier denkt, dass die gesundheitlichen Problemen eines Patienten sich auf mehreren Ebenen manifestieren und angegangen werden können oder müssen. Mit einem geübten kann dann auch ein Psychotherapeut manchmal sofort sehen, was mit dem Patienten los ist. Nur sind solche Diagnosen schwer zu systematisieren, vielleicht auch nur, weil wir analoges Denken selten über unsere ersten Eindrücke hinaustreiben, wo sie in der Tat sehr hilfreich sind. Aber man muss hier nicht anhalten, auch auf komplexeren Ebenen helfen und Analogien weiter.

Wer es lieber systematisch hat, der wird in der Analyse der Gegenübertragung fündig. Bei dieser konzentriert man sich bewusst auf all jene Eindrücke, die der Patient beim Therapeuten auslöst, der sich auf einmal in dessen Gegenwart wie gelähmt oder auch ungewohnt großartig vorkommen kann und der genaue Blick auf diese unbewussten Signale, die der Patient aussendet, helfen dem psychodynamisch oder -analytisch arbeitenden Therapeuten weiter und auch hier wird analog gearbeitet.

Brunnen, Höhlen und die Vagina

Analoges Denken verhilft uns zu merkwürdigen Sprüngen, die in der Linguistik vor allem durch die Metapher gebildet werden. Metaphern stellen vermutlich weniger künstlich etwas her, viel mehr scheinen sie einen Zusammenhang der bereits da ist, irgendwie treffend einzufangen. In der Rede von warmen oder kalten Farben, aber auch von einem hitzigen Temperament oder der Eiseskälte, die von einem empathielosen Menschen ausgehen kann, findet man Beispiele, in denen verschiedene Empfindungen korreliert werden.

Zu besonderen Verdichtungen im wörtlichen und übertragenen Sinne führen auch die drei Erfahrungen der Weiblichkeit und damit der Welt, des Körperlichen, mit denen das männliche Bewusstsein konfrontiert ist. Sehen wir in der Zigarre und allen länglichen und spitzen, penetrationsfähigen Gegenständen oft symbolisch einen Phallus, so sehen wir in weichen und geschwungenen Linien oft Attribute der Weiblichkeit. Doch das was weich, warm und Geborgenheit vermittelnd anzieht, verliert seinen Schutz, wenn das Bewusstsein reif ist, der Mutter und kindlichen Versorgungssituation zu entsagen und sich von Frau Welt und ihren verschlingenden Aspekten herausfordern zu lassen. Verdichtungen von Sex, Tod und Transzendenz begegnen uns in Symbolen des Eingangs zur Unterwelt, die manchmal einen Brunnen oder eine Höhle symbolisiert wird und so war immer auch das Abtauchen in die feuchte Höhle der Vagina ein besonderes Erlebnis, gleichermaßen mit Lust und Ängsten verbunden. Von Ängsten vor dem Verschlungenwerden ist im Mythos der Vagina dentata, der zahnbewehrten Vagina die Rede, doch stärker dürfte der psychisch verschlingende Aspekt der Sexualität gemeint sein, der einem den Verstand rauben und den klaren Geist verwirren kann, doch die Höhle ist immer auch mehr, ein Ort des Unbekannten, der Gefahr und des Totenreichs, hier beginnt die Unterwelt.

In einigen Formen imaginativer Therapien, die mit inneren Bilderreisen arbeiten, sind dann tatsächlich Begegnungen mit Brunnen, Sümpfen, Vulkanen oder Höhlen der Oberstufe (der höchsten von drei Stufen) vorbehalten, wohl auch (wenigstens dem Gerücht nach) weil einige ‚Unfälle‘ passiert, als man Patienten durch harmlose Landschaften schickte und diese spontan auf Brunnen, Sümpfe oder Höhlen stießen und dort mitunter Todeserfahrungen während der Therapiesitzungen machten und aus Regionen berichteten, mit denen die Therapeuten nicht umgehen konnten. Vorstellbar ist es, denn in der Reinkarnationstherapie packt man den Stier bei den Hörnern und geht den Tod und damit verbundene Symboliken, nach kurzen Probeläufen und Diagnosesitzungen direkt an, so dass Geburts- und Todesthematiken und deren imaginative Annäherung hier zur Regel werden.

Auch Stanislav Grof fand im Rahmen verschiedener Ansätze immer wieder eine Verdichtung von Geburt, Tod und Transzendenz, neben Sexualität und Aggression bilden sie die großen Eckpunkte des Daseins und überlappen an zahlreichen Stellen. Dem Geist werden in aller Regel männliche Attribute zugeordnet. Hoch oben, rein und klar ist er der reine Beobachter, unberührt von Weltlichem, Körperlichem, Sexuellem und Seelischen oder Emotionalen. Das dazugehörige Prinzip ist Uranos. Siri Hustvedt beschreibt in ihrem Buch „Die Illusion der Gewissheit“ die Tendenz der archetypisch und oft auch biologisch männlichen Geistfraktion das Körperliche, Weibliche, das Feuchte und immer auch Vergängliche abzustreifen, zugunsten diverser, heute transhumanistischer und trockener Erlösungsprojekte, in der der reine Geist zur reinen Information geworden ist und irgendwo im Innern eines Computers oder als reiner Algorithmus weiter lebt, Körperlichkeit allerhöchstens simulierend. Im Mythos muss der männliche Geist scheitern und er scheitert am Kampf mit der Weiblichkeit, der Körperlichkeit, der Natur, die er beherrschen will. Der Mythos, die Tragödie und der Dichter, sie alle wissen, dass der Geist erst in dem Moment siegt, indem er sein Scheitern erkennt.

Alles Vergängliche
Ist nur ein Gleichnis;
Das Unzulängliche,
Hier wird’s Ereignis;
Das Unbeschreibliche,
Hier ist’s getan;
Das Ewig-Weibliche
Zieht uns hinan.[3]

Quellen:

  • [1] Thorwald Dethlefsen, Schicksal als Chance, Bertelsmann 1979/Goldmann TB, S. 91 – 101
  • [2] Douglas Hofstadter und Emmanuel Sander, Die Analogie – Das Herz des Denkens, S. 605
  • [3] Johann Wolfgang von Goethe, Faust II, Vers 12104 ff. / Chorus mysticus – Schlussverse Faust II