Investigativer Journalismus

So ein Grundmisstrauen müssen auch investigative Journalisten haben, wichtige und oft unterschätzte Helfer der Gesellschaft, doch auch sie folgen den Kriterien des seriösen Journalismus. Ihre Quellen müssen glaubwürdig sein, wer hier einer Ente aufsitzt, wird über Jahre zum Gespött der Branche. Und doch folgen auch sie manchmal Interessengruppierungen.

Oft sind die Übergänge fließend. Wir ahnen, dass es bestimmte Machenschaften gibt, bei denen ein Interesse daran besteht, dass sie geheim bleiben. Wir ahnen, dass es bestimmte Lobbygruppierungen gibt, die Konkurrenz gerne ausbooten möchten und denen dafür viele Mittel recht sind. Wir ahnen, dass es ein Geflecht gibt, bei dem organisierte Kriminalität und etablierte Strukturen nicht mehr zu trennen sind. Manchmal kommt Jahre später heraus, dass man uns nicht die Wahrheit gesagt hat. Man weiß nicht genau, was dazu gehört und was nicht. Und gleich, wie groß die Beteuerungen der einen oder anderen Seite auch sind, so ganz werden wir es nie erfahren. Bei manchem, wie beim Abhörskandal durch Geheimdienste, übertrifft die Wahrheit zudem manchmal die Vermutungen der meisten Menschen und diese Mixtur lässt uns den Wunsch verspüren, das eine oder andere Mal eine gute Geschichte zu hören, in der uns erzählt wird, wie es tatsächlich war.

Die Lage ist, mit einem Wort, verzwickt. Eine Strategie ist, einfach im Mainstream zu bleiben. Wir dürfen annehmen, dass der eine oder andere Verächter des Mainstreams deshalb einer ist, weil er den Bedingungen dieser Welt nicht genügen konnte. Das kann kränken, wenn die Tore der akademischen Welt, der Mächtigen, Reichen und Schönen, unerreichbar weit weg erscheinen, für die eigene Biographie. Es kränkt umso mehr, je lieber man – wenn auch nur klammheimlich – dazugehören würde.

Man sieht das oft daran, wie stolz man auf den Akademiker, am besten den Professor in den eigenen Reihen ist, wo man doch vorher nicht müde wurde, die Vertreter genau dieser Welt und ihre Verfahren zu attackieren. Doch der Neid oder die Kränkung können oft nicht konfrontiert werden und so hofiert und idealisiert man den eigenen Haus- und Hofakademiker als furchtlosen Streiter, der sich nicht unterkriegen lässt und – wie man selbst – stets gegen den Strom schwimmt, der unbestechlich sagt, wie es wirklich ist, während die Experten der Gegenseite allesamt käufliche Flachpfeifen sind.

Der Selbstwiderspruch und die Projektion ist hier ein wenig verräterisch, doch oft ist es noch ein weiter Weg, bis der Verschwörungstheoretiker die gute Seite des Mainstream würdigen kann.

Auswege

Denn das hat der Mainstream zu bieten, eine ungeheure Wurschtigkeit, die auch eine gewisse Sicherheit gibt. Mögen die Dinge doch sein, wie sie wollen, was juckt es mich? Desinteresse oder Ignoranz? Nun, warum muss man sich für obskure Theorien interessieren, wenn der Tag hinreichend ausgefüllt ist? Das eigene Leben kann durchaus spannend und reich genug sein, um es nicht mit Verschwörungstheorien aufpeppen zu müssen. Und auch jenseits das akademischen Milieus kann einen der Beruf ausreichend fordern, so dass man gar nicht den Bedarf verspürt über das Establishment zu lästern, sondern statt dessen lieber dazugehört.

Verschwörungstheoretiker können es oft nicht ertragen, wenn einer selbstbewusst mit den Achseln zuckt und sagt: „Also, mir geht es gut, mein Leben kann ruhig so bleiben“. Sie sind gerne eifrig dabei uns weiszumachen, dass wir in der schlechtesten, mindestens aber durchtriebensten aller Welten leben. Auch das könnte auf Neid hinweisen.

Verschwörungstheoretiker sind sicher in einigen Fällen gefährliche Irre, oft sind es harmlose Irre und vielleicht noch öfter sind sie nicht mal irre. Sie mögen Motive haben, die ihnen selbst nicht bewusst sind und dennoch ist es manchmal ein Weg, die Welt etwas bunter zu gestalten und eine Welt, die anders sein könnte, zur Verfügung zu haben, ist nicht immer ein Nachteil. Vielleicht ist so eine Welt nicht einmal in allen Fällen eine Kompensation.

Und doch wollen wir ein paar Wege aus den Verschwörungstheorien aufzeigen, falls man selbst meint, dass man dieser Parallelwelt zu viel Energie opfert. Das Problem ist, dass Verschwörungsideen nur eine Kraft entfalten, wenn man tatsächlich daran glaubt, doch die Gefahr besteht, dass man dann auch in einen Strudel aus Ängsten gerissen wird, die dem Leben mehr schaden als sie nutzen.

Wieviel Gewissheit brauchen wir wirklich?

braunes Rundbogentor

Manche Tore bleiben geschlossen. © C. Börger

Eines ist sicher, dass (fast) nichts sicher ist. Die Welt könnte tatsächlich ganz anders sein, aber es ist nicht so, dass wir keinerlei Ansatzpunkt hätten. Wir existieren, das ist sicher. Ob als Programm in einem Supercomputer oder als Traum eines malignen Dämons, in dem Moment wo wir das Gefühl haben, dass es uns gibt, gibt es uns auch. Man kann jemandem nicht ohne Selbstwiderspruch erklären, dass es ihn nicht gibt, da der Adressat derjenige ist, den es angeblich nicht geben soll. Also gibt es uns, genau jetzt. Den Rest müssen wir zusammenfassen, sonst wird es zu lang. Es gibt auch andere. Sie könnten ein Traum sein, mag sein, aber gleich wie meine oder ihre wahre Natur sein mögen, auch die vermeintliche Illusion hat ihre Gesetze und in denen leben wir.

Diese Gewissheiten tragen eigentlich nicht sehr weit, aber im Alltag funktionieren sie hervorragend und das reicht erst mal. Man weiß mit einiger Gewissheit wo es Pizza gibt und wie man ins Internet kommt und das und andere Dinge des Alltags klappen auch. Um zuverlässig zu leben, ist das schon eine Menge.

Auf was lasse ich mich tatsächlich festlegen?

Es könnte auch ganz anders sein, aber wie ernst es jemand meint, sieht man oft daran, was er tatsächlich tut. Was bedeutet es für mich, dass dies und das angeblich oder tatsächlich der Fall ist? Ändern sich dadurch mein Lieblingsessen, meine Freundschaften, mein Musikgeschmack? Lese ich weniger gerne Gedichte oder macht Sport keinen Spaß mehr? Ist eine Ausbildung zu haben, zu wissen, wie man leben will und wen man liebt weniger bedeutend, wenn alles ganz anders ist, als es zu sein scheint?

Oft genug stellt man fest, dass die scheinbar so dramatischen Abgründe das eigene Leben überhaupt nicht berühren. Natürlich, die geheimen Mächte könnten überall im Hintergrund sein, aber warum kommen sie so selten ans Licht und beeinträchtigen das Leben der Leute um uns in keiner Weise und das obwohl sie doch so mächtig sein sollen?