Mann schwebt durch Zimmer, schwarzweiß

Eine außergewöhnliche Erfahrung. © Ted Van Pelt under cc

Es gibt das Gewöhnliche und das Außergewöhnliche, Besondere. Beides ist zu erleben, auf dem spirituellen Weg, aber stets wird das Außergewöhnliche als riesige Gefahr gesehen, als Täuschung. Nicht deshalb, weil es das nicht gibt, sondern weil es eine riesige Gefahr darstellt. Nicht, weil man seine Zeit sinnlos vertun oder man gesundheitliche Schäden erleiden würde, sondern, weil das Besondere verführerisch ist. Es ist verführerisch der eigenen Egozentrik weiter zu verfallen, man sondert sich noch mehr von den anderen ab. Das ist eine Gefahr, die größer ist, als man am Anfang erkennt. Es gibt diese Gipfelerfahrungen, es gibt das Besondere, die außergewöhnlichen Bewusstseinszustände und doch geht es nicht um sie, sondern einzig und allein darum, im Jetzt anzukommen und seiner Kontinuität des Wandels, in dem Gewöhnliches und Außergewöhnliches stattfindet.

Kontinuität und Wandel sind Elemente, die wir gleichermaßen einfangen müssen, wenn wir über Erleuchtung sprechen wollen. Erleuchtung ist ein Komplex oder Cluster von Erfahrungen und dabei ganz wesentlich von inneren Erfahrungen. Der Inhalt ist wechselnd und entspricht dem, was die Welt gerade anbietet, die einzige Kontinuität ist der Wandel, weil Welt eben immer anders ist. Doch es muss auch eine Kontinuität im Wandel geben, um den Begriff der Erleuchtung zu rechtfertigen.

Und diese finden wir in unserer inneren Erfahrung. Zwei wesentliche Elemente sind die Abwesenheit von Widerständen und das Sein im Augenblick. Es geht einem auf den ersten Blick nicht besser, wenn man im Augenblick lebt, denn das Leben macht einem oft genug einen Strich durch die Rechnung. Eigentlich hatte man sich was anderes vorgenommen und dann das. Alles gerät durcheinander und viele Menschen geraten in Widerstand. Die einen früher, wenn sie ihre Komfortzone verlassen müssen, die anderen später, wenn’s wirklich dicke kommt. Angesichts dessen, ist das Konzept von Leugnung und Verdrängung gar nicht schlecht. Wer als einzige Kontinuität den Wandel hat, der ist davon nicht zu überraschen, aber das ist nicht unsere generelle Einstellung. Wir sind Gewohnheitstiere und auf immer mehr Absicherung bedacht. Aber genau das macht unser Leben manchmal auch starr und monoton, bis zum Zwanghaften.

Aber auch hier müssen wir aufpassen, denn es kann nicht sein, dass wir Erleuchteten Kriterien überstülpen, die sagen, wie sie zu sein haben. Es gibt Erleuchtete, die unendlich liebevoll und ausnehmend höflich auftreten, aber es gibt auch rohe und wilde Zerstörer der Ordnung. Aber auch das Geordnete und Gewohnte hat seinen Sinn und Zweck auch damit kann man einverstanden sein. Es scheint, dass wir noch ein dritte Komponente brauchen, eine ethische Richtung. Auch ein Psychopath kann mit dem was er tut im Einklang sein und dabei ganz im Augenblick. Doch wesentliche Teile spiritueller Disziplinen bestehen darin, vieler dieser ethischen Positionen zu hinterfragen oder sogar radikal infrage zu stellen. Dass dies kein ganz einfacher Bereich ist, liegt in der Natur der Sache. Man macht es sich etwas zu einfach, wenn man die Erklärung, dass allein der erleuchtete Meister weiß, wo es lang geht (sonst wäre er ja nicht erleuchtet) und jeder, der bei ihm unter die Räder kommt daher gehalten ist, zu erkennen, dass alles nur zu seinem Besten geschieht und dass er, wenn er das nicht erkennt, eben Pech hat und ungeeignet ist die ‚Wahrheit‘ zu erkennen. Das wäre ein zirkuläres Argument. Andererseits kann konventionelle Moral nicht der Maßstab für die Richtigkeit oder Falschheit des Außergewöhnlichen sein.

Wir machen hier einen Schnitt, kommen aber im dritten Teil auf die Frage zurück, wenn wir erörtern wollen, wie echt und sinnvoll das alles ist und ob außergewöhnliche Bewusstseinszustände überhaupt relevant sind.

Vom Wesen der gesunden außergewöhnlichen Bewusstseinszustände

Wir hatten die pathologischen Aspekte der außergewöhnlichen Bewusstseinszustände gestreift und nun einige der gesunden Aspekte aus dem Umfeld der Spiritualität angesprochen. Außergewöhnliche Bewusstseinszustände haben eine Tendenz, wie Gipfelerfahrungen, mit denen es naturgemäß Überschneidungen gibt, in Richtung Einheitserfahrungen zu gehen und zwar in dem Sinne, dass das Ich sich ausweitet und Bereiche umfasst, die normalerweise nicht zum Ich gehören.

Weiter scheint dazu zu gehören, dass man mit der Situation einverstanden ist und man die außergewöhnlichen Bewusstseinszustände liebevoll umfassen kann. Das ist anders als die Dissoziationen, bei denen sich das Ich aus dem Staub macht und nur noch von der Ferne aus anwesend ist. Aber wir dürfen es uns nicht zu einfach machen, ganz so schwarz und weiß ist die Wirklichkeit nie. Es gibt auch positiv überwältigende Erfahrungen, die nicht integriert werden können und auf diese Weise problematisch werden, ebenso, wie manche außergewöhnliche Bewusstseinszustände einen eher pathologischen Hintergrund haben und dennoch ungeheuer positive Wendungen ins Leben bringen können.

Eine der größten Ängste ist nach wie vor die Todesangst und sehr viele Menschen verlieren nach Nahtoderfahrungen weitgehend oder komplett die Angst vorm Tod. Was viele obendrein dazu bringt das Leben mehr zu genießen und sehr oft heißt das tiefer und intensiver zu leben. Außergewöhnliche Bewusstseinszustände treten dann ein, wenn ein Mensch geöffnet ist, sei es freiwillig, weil er keinerlei Widerstände setzt, oder unfreiwillig, wenn er von manchen Situationen überrascht und überspült wird. Das Wechselspiel von Fokussierung und Erweiterung ist allerdings auch hier dynamisch. Aus der Konzentration kann eine Öffnung entstehen, die einem entweder neue Welten innerhalb des betrachteten Bereichs eröffnet oder diesen vollständig sprengt, andererseits kann eine zu große Offenheit oft nicht verarbeitet werden und erzwingt eine Reaktion mit der man aus der Situation herauskommt, das kann bei Dissoziationen der Fall sein, in einigen Fällen von Autismus ist das auch eine diskutierte Erklärung. Es scheint also eine Art Gleichgewicht zu geben und erleuchtete Menschen sind dabei offenbar sehr weit auf dem Pol der Offenheit und können viel davon ertragen.

Mindestens so wichtig wie die außergewöhnlichen Bewusstseinszustände selbst ist die Frage, ob und wie sie verarbeitet werden können. Nach allem was man dazu weiß, gibt es keine allumfassende Antwort darauf, weil das Erlebnis was für den einen eine Erlösung ist, für andere ein Desaster darstellt. Deshalb ist es wichtig auf das Gesamtpaket oder den Kontext zu schauen, in dem außergewöhnliche Bewusstseinszustände stattfinden, sofern sie planbar sind. So hat man bei einigen Praktiken aus dem spirituellen oder aus intensiv regressiven Bereichen in der jüngeren Vergangenheit versäumt, die Menschen aufzufangen und zu erden. Einfachste anspruchsloseste Arbeit und körperliche Aktivität, das Essen von schwerer, deftiger Nahrung und dergleichen, sowie ein Kreis kompetenter Menschen, die die Erfahrungen kennen, sind gut geeignet um wieder in der Normalität anzukommen. Wir gehen in der nächsten Folge darauf näher ein.

Gesunde außergewöhnliche Bewusstseinszustände scheinen psychisch integrierbare Erfahrungen zu sein, die ein unmittelbares Einssein mit etwas, was ansonsten als getrennt angesehen wir bedeutet, also ein Element der Einheit, mit dem man durchaus einverstanden ist und bei dem man intensiv in den Prozess mit hineingezogen wird.