Strafe und Repression

Gefängninsflur

Schnelle und harte Strafen können abschrecken, sind aber nur ein Teil des Ganzen. © 826 PARANORMAL under cc

Es gibt verschiedene Tätertypen und nicht alle werden in gleichem Maße von Strafen abgeschreckt, wenn überhaupt. Viele allerdings schon. Schon die Aussicht in den Knast zu kommen, erschreckt sie hochgradig und wenn sie damit ernsthaft konfrontiert werden, hat das einen großen Effekt, vor allem auf verirrte Jugendliche, die sich und ihre Grenzen wirklich mal austesten wollen.

Für andere Täter ist im Knast gewesen zu sein allerdings eine Art Auszeichnung. Man ist einer von den Härteren, meint es ernst und nimmt auch was in Kauf, ist kein Poser. Intensivtäter gehören dazu. Sie haben geringe Hemmungen, Empathie und Rücksicht sind ihnen fremd, nicht aber, beim anderen die wunden Punkte zu finden. Wenn sie in Richtung Psychopathie gehen, verfügen die über eine Besonderheit im Umgang mit Angst. Sie haben keine. Genauer: Auch ihr Erregungs- und Angstlevel steigt an, bis zu einem bestimmten Punkt, an dem sie eine Art Tunnel geraten, in dem sie fokussiert und entspannt sind, dort, wo bei anderen die Erregung weiter ansteigt. (Siehe auch: Heilige und Psychopathen) Es gibt verschiedene Theorien darüber, woher das kommt, vermutlich stimmen alle ein wenig.

Intensivtäter kennen das Milieu von Drohungen, Willkür und Erpressung oft von Kindesbeinen an. Dort haben sie ihr Heimspiel und ihre eigentliche Schwäche liegt darin, dass sie sich nicht vorstellen können, dass die Welt und die Menschen in ihr tatsächlich anders funktionieren könnten, als manipulierend und rücksichtslos. Sie kennen es nicht anders und wenn dieser Bereich nie trainiert und gelebt wurde, ist auch die Begegnung mit anderen Menschen, die das aufrichtig leben, für sie nicht zu erkennen. Übersetzt in ihre Erlebenssphäre ist das Mitgefühl und Anteilnahme nur ein weiterer Trick um anderen noch subtiler hinters Licht zu führen, oder alternativ ein Ausdruck grenzenloser Naivität von Menschen, die einfach zu schwach oder zu dumm sind zu kapieren, wie die Welt tatsächlich funktioniert. Verständlich, wer nur schwarz und weiß sehen kann, hält die Rede von einer Welt der Farben für Unsinn.

Die an sich reichere Welt der anderen wird aber auch nicht beneidet, da sie vielfach weit außerhalb der emotionalen Reichweite ist. Man kennt es einfach nicht und wüsste auch nicht, was man davon hätte, zu weichlich und unattraktiv erscheint diese Welt. Das muss man wissen und setzt auch jenen Ansätzen Grenzen, die meinen, dass Menschen mit stärkeren antisozialen Tendenzen zu wenig Liebe bekommen hätten – was vermutlich stimmt – und nun eigentlich nach Liebe dürsten – was nicht stimmt. Die Fähigkeit zur Liebe, Anerkennung, Interesse am anderen – sie zu geben und zu empfangen – ist, ab einem bestimmten Punkt erst einmal erloschen. Diese Menschen lassen sich vielleicht noch gerne feiern und bewundern, aber niemanden emotional an sich heran. Zum Bild des ausgewachsenen Psychopathen gehört, dass neben dem Vollbild des Narzissten auch das des Sadisten und Paranoikers gehört. Das sind Menschen, die chronisch misstrauisch sind, sich niemandem öffnen und dies höchstens taktisch tun, um andere auszuhorchen oder wenn sie sich Vorteile davon versprechen.

Nicht, dass es wahrhaftige Liebe und Mitgefühl gibt, ist naiv, nicht, dass die meisten Menschen schrecklich normal sind und keine heimlichen Monster noch grenzenlose Egoisten ist naiv, sondern nur der Glaube, dass man mit Liebe und Mitgefühl unmittelbar jeden erreichen und auf den rechten Pfad bringen kann. Das ist eher etwas für Vorabendserien, aber ansonsten ist es tatsächlich naiv zu glauben, dass man jemandem nur den Arm um die Schulter legen und sagen muss: „Nun erzähl doch mal“, worauf der harte Junge heftig zu schluchzen beginnt, erzählt, was in seinem Leben schief gelaufen ist und Besserung gelobt.

Da die Welt bunt ist und es kaum etwas gibt, was es nicht gibt, ist es absolut glaubwürdig, dass auch solche Fälle tatsächlich vorkommen, wenn der richtige Mensch im richtigen Moment da ist und viele sehnen sich ja in der Tat nach Struktur und einer Orientierung im Leben. Aber was für manche gilt, funktioniert eben nicht bei allen. Andreas Marneros:

„Es wäre Augenwischerei zu glauben, dass alles Abweichende, alles Pathologische und alles Defizitäre der menschlichen Natur therapierbar sei. Es wäre bestenfalls ein rührender Idealismus, so zu denken, aber kein realitätskonformer Pragmatismus. Viele von uns Psychiatern und Psychologen haben sich in jungen Jahren blutige Nasen geholt, wenn die der Schimäre der All-Therapierbarkeit folgten. Wir müssen damit leben, dass bestimmte Persönlichkeitsstörungen, die unter bestimmten Umständen ein bestimmtes Niveau erreicht haben, nicht mehr therapierbar sind. Sie sind höchstens limitierbar. Trotzdem muss man auch solchen Menschen jede Chance geben. Allerdings nicht um den Preis, dass andere Menschen ihr Leben verlieren, verletzt, geschändet, gedemütigt werden. Nicht um den Preis, dass die Würde andderer Menschen angetastet werden kann.“[15]

Früh fängt es an, dass echte Psychopathen auffällig werden, indem sie mit Lust Tiere quälen oder töten und erkennbar wird, dass Grausamkeit ihnen Spaß bereitet. Haftstrafen schrecken diese Menschen nicht ab, auch, weil sie manchmal in diesem Umfeld stärker beheimatet sind, als in der Welt da draußen.

Strafen und Kultur

Wir müssen verstehen, dass eine Mildtätigkeit oder zweite Chance, die unser Strafrecht zur Verfügung stellt von Menschen aus anderen Kulturen mitunter als Schwäche interpretiert wird. Der Eindruck ist dann, dass man tun und lassen kann, was man will und ja nichts passiert. Das Problem ist, dass, wenn Menschen aus Regionen zu uns kommen, in denen schon kleine Vergehen hart bestraft werden, unser Rechtssystem natürlich weich erscheint, aber genau so wollen wir es ja nicht ohne Grund haben. Strafe soll bei uns eben keine Rache sein, sondern dem Menschen die Chance geben, sich zu bessern.

Der Gedenke dahinter ist, dass wenn Menschen konsequent erleben, dass es auch anders geht, sie zur Einsicht kommen und langsam sehen, dass dieser Staat mit dieser Art der Strafinterpretation ja eigentlich ganz gut und schützenswert ist. Doch wie Christian Pfeiffer oben sagte, streift man seine Kultur nicht einfach so ab, wie die Kleider am Abend. Polizeitverteter fordern daher schnellere, härtere Strafen, schon beim ersten Vergehen. Ansätze, die in diese Richtung gingen, gab es schon, sie hatten auch Erfolge. Doch law and order allein ist keine Lösung, aus dem einfachen Grund, weil ein Staat, der immer härter wird, sich immer mehr auf das Terrain von Intensivtätern und auf gesellschaftliche Modelle, die wir aus gutem Grund ablehnen, begibt. In Regionen wo Intensivtäter gerade ihr Heimspiel haben, hat die Gesellschaft nichts zu gewinnen, auch diieses anderen, unbequeme Ende des Spektrums muss man sehen. Rübe runter und Schwanz ab, sind so wenig adäquate Lösungen, wie Sozialromantik und Kuschelkurs es in einem allumfassenden Sinne sein können.

Therapie

Strafen haben ihren Effekt, um zu zeigen, dass das notorische Überlegenheitsgefühl von echten Intensivtätern unbegründet ist. Der Staat kann auch anders, wenn er will. Das ist aber ein therapeutischer Effekt, der die narzisstischen Größenphantasien ins Wackeln bringt. Das erhöht die therapeutische Ansprechbarkeit, da Menschen mit narzisstischer und paranoider Störung in Kombination, die bei Intensivtätern häufig ist, denken, dass sie alle um den Finger wickeln und austricksen können. Was ihnen in der Tat auch öfter mal gelingt.

Die eine Therapie für alle gibt es nicht. Doch das Thema realistisch zu betrachten heißt nicht, pessimistisch werden zu müssen. Von verhaltenstherapeutischen Ansätzen, die auch Intensivtätern zeigen kann, wie sie sich bremsen können – und sei es nur, um nicht wieder bestraft zu werden – über die übertragungsfokussierte Therapie (TFP) gibt es verschiedene therapeutische Ansätze, die wirksam sind, theoretisch und unter optimalen Bedingungen bis in den Bereich des Malignen Narzissmus, aber nicht mehr bis zur antisozialen Persönlichkeitsstörung, die nach wie vor als unheilbar gilt.

Praktisch ist die Prognose für den Narzissmus im fortschreitenden Lebensalter ausgezeichnet, aber sie wird schlechter, je mehr antisoziale Tendenzen und aggressive Züge in die narzisstische Persönlichkeit einsickern und das bei Intensivtätern so gut wie immer der Fall. Hier liegen also die Grenzen, von denen Marneros sprach.

Prävention

Doch Intensivtätern kann man nicht nur nachher begegnen, am besten ist die Prävention. Und Prävention heißt keinesfalls nur allumfassende Überwachung und Früherkennung, sondern wirklich dem Übel an die Wurzeln zu gehen. Repressionen von Seiten den Staates bedeuten immer auch Einbußen in der Lebensqualität. Was unseren Staat auszeichnet ist der hohe Grad an Freiheit, den er verspricht. Nur tendenziell paranoide Menschen verzichten im Gedanken an eine allumfassende Sicherheit gerne auf Freiheit. Andere gewichten das deutlich anders und ein Recht auf Privatsphäre ist ungeheuer wichtig und ein Blick in die Geschichte von Überwachungsstaaten zeigt den meisten, dass sie dann doch nicht so leben wollen.

Die Rolle der Prävention ist extrem breit und es ist nicht möglich, hier auf alle Aspekte einzugehen. Wenn wir kurz den internationalen Kontext streifen, dann gilt recht übereinstimmend nach wie vor, dass wir Einwanderung in einem recht großen Stil brauchen, weil unser Land demographisch überaltert, was eine Menge großenteils negativer Konsequenzen hat. Zudem ist „Fluchtursachen beseitigen“ ein ambitioniertes Unterfangen, bei dem größtenteils unklar ist, was nun das richtige Konzept ist. Und die, die behaupten, das sei alles ganz einfach, haben nicht immer recht ist und sie widersprechen sich gegenseitig.

Es gibt in meinen Augen keinen vernünftigen Grund dagegen, dass wir Einwanderung steuern, in dem Sinne, wie wir als Staat und Gesellschaft das wollen, leider ist die Diskussion darüber zum großen Teil ausgeblieben ist. Selbst die Vermittlung des bei uns Üblichen und ihrer Ergebnisse wird nicht ausreichhend dargestellt. Das ganz große Rad bezogen auf Migrationsströme und sogenannten Fluchtursachen drehen zu wollen und mal eben die Kolonialzeit und den Klimawandel im Alleingang auszuputzen, wäre etwas vermessen. Doch im eigenen Land kann man etwas tun.

Rollenangebote und Moral

Mir ist der Punkt der sozialen Rollen sehr wichtig, weil er gleich mehrere Elemente verbindet, die mit dem Thema Intensivtäter direkt zu tun haben. Zum einen verbindet er die Schicksale deutschstämmiger und ausländischer Intensivtäter. Beide haben, neben dem, was ihre Erfahrungen individuell und kulturell unterscheidet das gemeinsame Element, vermittelt bekommen zu haben, dass sie als Mensch überflüssig sind. Man weiß nicht, wo man hingehört oder bekommt das noch grausamere Gefühle vermittelt, dass man nirgendwo erwünscht ist. Wer radikal abgelehnt wird, oder wessen Existenz einfach egal ist, der lehnt selbst ab, dem sind andere ebenfalls in der Regel egal. Vor allem, wenn noch Gewalt und sadistische Willkür hinzukommen. Erstaunlich, wenn aus einigen dieser Menschen mit desaströsen Startbedingungen dennoch etwas wird, doch das ist eher die seltene Ausnahme. Nicht alle diese Menschen werden Intensivtäter, manche beginnen vielleicht sich mit Drogen zu zerstören, werden depressiv oder sonst etwas aber so gut wie alle Intensivitäter haben diesen Hintergrund.

Und so ist es wichtig, dass wir familiäres Elend ernst nehmen und eindämmen. Menschen, die andere als liebevoll und fürsorglich erleben, werden viel seltener zu Tätern. Richtig „irre“ sind die aller wenigsten, fast alle sind schuldfähig. Sie wissen, dass das, was sie tun nicht in Ordnung ist, es interessiert sie nur nicht. Dazu gehört, das man Rollen und Perspektiven anbietet. Wer immer du bist, wo immer du herkommst, du kannst einer von uns sein und dann lassen wir dich nicht hängen.

Du musst uns zeigen, dass du einer von uns sein willst und wenn du das tust, stehen wir immer an deiner Seite. Das ist die Botschaft der Männerbünde und Kameradschaften. Vielleicht ist das für Männer wichtiger als für Frauen, vielleicht ist ihr Modell von Beziehungen und Dazugehören anders als das von Frauen, aber die aller meisten wollen irgendwo dazu gehören. Das Angebot können wir als Gesellschaft machen, man muss dann allerdings auch klar machen worum es in unserer Gesellschaft geht und verstehen, dass Zuwanderern das zunächst oft fremd ist.

Denn nur Menschen, denen wir dieses Angebot machen, kann man auch moralisch beikommen. Man kann ihr Verhalten als Gesellschaft sanktionieren und das sehr wirksam. Wer wirklich persona non grata ist, der ist sozial tot. Das ist ein entsetzliches Gefühl und damit eine hohe Strafe. Entsprechend sensibel sollten wir damit sein, Menschen in brisanten Fällen nicht falsch zu verdächtigen, man könnte sie zu Outlaws machen.