„Mit Freunden heute ins Kino gehen will ich auf gar keinen Fall. Dort sind so viele Menschen und alle starren mich nur merkwürdig an. Besser ich bleibe gleich zu Hause.“ Menschen, die unter Agoraphobie leiden, weisen ein starkes Vermeidungsverhalten auf. Therapeutisch gesehen ist eine Konfrontation mit der Angst allerdings sinnvoll.

Was ist Agoraphobie?

Große Menschenansammlung am Strand

Große Menschenmenge am Strand © Yetdark under cc

Laut Klassifikationssystem ICD-10 (Dilling, Mombour, Schmidt & Markwort, 2006) vermeiden Menschen mit der Angststörung Agoraphobie größere Menschenmengen, öffentliche Plätze und lange Warteschlangen. Befinden sie sich in der gefürchteten Situation, treten Paniksymptome wie Hören des Herzschlags, starkes Schwitzen, Zittern, Atemnot, Übelkeit oder Schwindel auf. Häufig geht damit auch eine starke Unsicherheit, Gefühl der Ohnmacht, Angst vor Kontrollverlust oder zu sterben einher.

Wie entsteht Agoraphobie?

2-Faktoren-Modell

Nach Aussage des 2-Faktoren-Modells (Mowrer, 1947) ist die klassische Konditionierung nach Pawlow für die Entstehung verantwortlich. Angst gilt als angeborene Reaktion um Bedrohungen abzuwenden. Eine Situation löst erst dann Angst aus, wenn in dieser eine Gefahrenquelle auftritt. Diese Angstreaktion führt zu der Assoziation der Situation mit Furcht. Werden also viele Menschenmassen als Bedrohung empfunden und ist das Kino völlig überfüllt, wird Angst erlebt. Die Furcht vor dem Kino tritt auch dann auf, wenn man sich gar nicht dort befindet.

Die operante Konditionierung (Thorndike, 1911) ist maßgeblich für die Aufrechterhaltung des Vermeidungsverhaltens. Entscheidend ist, welche Konsequenzen auf das gezeigte Verhalten folgen. Tritt eine negative Konsequenz auf, wird das Verhalten mit höherer Wahrscheinlichkeit in Zukunft vermieden. Daher unterlässt man in Zukunft auch Kinobesuche, um die Angst vor Menschenmassen zu verhindern.

Teufelskreismodell der Angst

Wie entstehen denn überhaupt diese Angst- und Panikattacken in der furchtauslösenden Situation? Nach dem Teufelskreismodell der Angst (Wittchen & Hoyer, 2006) beginnt der Kreislauf mit der intensiven Wahrnehmung einer körperlichen Reaktion, z.B. Schwindel. Daraufhin folgt die Interpretation „Mit mir stimmt etwas nicht“. Diese Sorgen verursachen Angst und der Körper wird aktiviert. Dies äußert sich in weiteren körperlichen Symptomen, die wiederum intensiviert wahrgenommen werden und zu weiteren sorgenvollen Gedanken führen.

Persönlichkeit

Laut Beck (1975) reagieren Menschen in Abhängigkeit von eigenen Überzeugungen und Denkgewohnheiten individuell verschieden auf Geschehnisse. Demnach könnte jemand aus Furcht sich zu blamieren Angst vor großen Menschenmengen haben. Ein anderer hingegen ist gern unter Menschen, da er zur Selbstdarstellung neigt.

Was kann man bei Agoraphobie tun?

Flooding

Beim Flooding handelt es sich um eine Konfrontationstherapie, dessen Wirksamkeit in zahlreichen Studien belegt worden ist (Grawe, Donati & Bernauer, 1994).

Der Patient setzt sich bewusst solange den stärksten Angstreizen aus, bis die Furcht von selbst nachlässt. Bereits zu Beginn der Behandlung suchen Therapeut und Patient die am meisten angstauslösende Situation auf. Fürchtet sich der Patient vor Menschenmassen, könnte er in Begleitung seines Therapeuten in ein überfülltes Kino gehen. Beide bleiben dann solange dort, bis die Angst nachlässt. Das Vorgehen sollte an den folgenden Tagen wiederholt werden. Hierbei ist es ratsam, dass der Patient die Situation allein aufsucht.

Der Clou an der Sache ist, dass negative Assoziationen wie in der Situation zu versagen oder aus dieser fliehen zu müssen nachlassen (Bandelow, 2006). Stattdessen manifestiert sich die positive Erkenntnis diese zu beherrschen und die Angst somit überwunden zu haben. Weiterhin ist es möglich, dass der Patient die Erfahrung macht, dass die eigenen Befürchtungen in der Situation gar nicht oder nur teilweise eingetreten sind.

Quellenangaben

  • Bandelow, B. (2006). Angst- und Panikerkrankungen (2., durchges. Aufl.). Bremen: Uni-Med.
  • Beck, A.T. (1976). Cognitive therapy and the emotional Disorders. New York: International Universities Press.
  • Dilling, H., Mombour, W., Schmidt, M.H. & Schulte-Markwort, E. (2006). Internationale Klassifikation psychischer Störungen ICD-10 Kapitel V (F). Klinisch-diagnostische Leitlinien. Bern: Huber.
  • Grawe, K., Donati, R. & Bernauer, F. (1994). Psychotherapie im Wandel. Von der Konfession zur Profession. Göttingen: Hogrefe.
  • Mowrer, O.H. (1947). On the dual nature of learning: A reinterpretation of „conditioning“ and „problem solving“. Harvard Education Review, 17, 102-148.
  • Thorndike, E.L. (1911). Animal intelligence: Experimental studies. New York: Macmillan.
  • Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (2006). Klinische Psychologie & Psychotherapie. Heidelberg: Springer Medizin Verlag.